Mit ‘Jelinek’ getaggte Beiträge

>> Link zum Interview mit Elfriede Jelinek (2006)

> Aufgaben zum Interview mit Elfriede Jelinek als PDF

 

  1. Welche Gründe sieht die Autorin dafür, dass ihre Texte sehr häufig aggressiv kritisiert worden sind? Was ist mit dem „Recht des Blicks“ gemeint?

Radikalität in der Literatur werde von männlichen Schriftstellern erwartet,  weiblichen Schriftstellerinnen aber nicht zugestanden, wobei das Schreiben der Frauen an sich schon eine „Überschreitung“ darstelle. Ebenso sei das „Recht des Blicks“, also das Recht, in etwas hineinzusehen (und darüber zu schreiben) Männern vorbehalten, für Frauen hingegen sei die Rolle gedacht, sich diesem Blick zu präsentieren.

 

  1. Welches Verhältnis haben Frauen zur Macht?

Frauen seien Machtenthaltung gewohnt, ihnen sei der gerechte Anteil an der Macht immer vorenthalten gewesen, sie hätten selten Macht ausgeübt. Weibliche Arbeit (Pflege, Betreuung etc.) sei in volkswirtschaftlichen Kennzahlen nicht mitberücksichtigt  (Anmerkung: weil sie nicht in Geldwert darstellbare Waren sind)

 

  1. Wie urteilt die Autorin über aktuelle Frauenliteratur der Gegenwart?

In den 70er Jahren sei das Recht, die eigenen Erlebnisse und das eigene Leid auszusprechen, im Vordergrund gestanden. Heute seien die „Powerfrauen“ am Zug, freche, junge Frauen, die nicht sehen könnten oder denen es nichts bedeute, dass die Frauenbewegung und Frauenliteratur der 60er und 70er Jahre den Boden dafür bereitet habe, die Möglichkeit dafür geschaffen habe.

Frauenliteratur im 19. und frühen 20. Jahrhundert sei Literatur über Frauen gewesen, Frauen seien das Objekt des Blickes eines Mannes und damit Gegenstand in der Literatur gewesen. Jelinek wundert sich, dass es aufgrund der Geschichte der „Zurücksetzungen“ abseits ihrer eigenen Literatur nicht noch mehr „aggressivere“ Frauenliteratur gebe. Frauenliteratur heute sei Literatur von Frauen, die Frau sei nicht mehr das Objekt des Blicks, sondern spreche als Subjekt.

Jelinek bezeichnet sich (im Vergleich zu ihrer frühen Zeit als Schriftstellerin) als resigniert, sie habe das Kämpfen aufgegeben bzw. sehe Notwendigkeit, neue Formen des Kämpfens zu finden.

 

  1. Aus „Die Liebhaberinnen“: „Das richtige Leben heißt nicht nur Heinz, es ist es auch.“ Hat sich etwas an diesem Verständnis der Geschlechter gewandelt?

So krass sei es nicht mehr. Sie habe den Roman absichtlich im ländlichen bzw. städtisch-proletarischen Raum angesiedelt, um eine optimale „Versuchsanordnung“ herzustellen für ihren gesellschaftlichen Versuch. Es habe  sich jedoch nicht sehr viel geändert, auch heute könne sich eine attraktive Frau einen finanzkräftigeren Partner aussuchen und ihr Schicksal in die Hände des Partners legen. Analog zum ziehe auch in der menschlichen Gesellschaft nach wie vor männliche Macht schöne Frauen an.

 

  1. Woher kommt der Impetus (Antrieb, Motivation) für Jelineks Schreiben?

Jelinek bezeichnet die Wut über das Gefühl des gesellschaftlichen Zurückgesetzt-seins als Frau als den Impetus für ihr Schreiben

 

  1. Inwiefern ist die Unterscheidung zwischen Männer- und Frauenliteratur noch sinnvoll?

Männer seien nach wie vor freier, ihre literarischen Themen zu wählen, Frauen hingegen würden weiterhin den Drang haben, ihre Lage zu verbessern oder für alle (Frauen) zu sprechen, auch wenn dadurch ihre Texte „hölzerner“ werden.

Frauen fehlten in Aufzählungen betreffend bedeutende Autoren oder bedeutende Werke zu bedeutenden Themen. Für Frauen sei die Feststellung, ein (bedeutendes) Werk geschaffen zu haben, nicht vorgesehen. Auch ihre eigenen Arbeiten seien zwar umstritten, würden  aber nicht als gleichrangig  mit vergleichbaren bedeutenden literarischen Werken männlicher Schriftsteller gewertet werden.

Für Frauen, insbesondere für Frauen aus unteren sozialen Schichten, sei es immer schwerer gewesen, sich der Literatur zuzuwenden, weil sie im Gegensatz zu Männern weniger dazu ermuntert werden, Dinge um ihrer selbst willen zu tun, sich einem Schaffen „ohne direkte Nutzanwendung“ (= Kunst) zuzuwenden.

 

  1. Wie kam Elfriede Jelinek dennoch zum Schreiben?

Sie sei „wie ein Mann“ erzogen worden, sie sei auf Leistung in der Kunst (Musikstudium) getrimmt worden. Dies habe sie „entsexualisiert“.  Auf dem „Markt der Körper“ zähle in erster Linie, wie eine Frau aussehe. Was eine Frau (künstlerisch) leiste besitze hingegen keinen Wert. Die Autorin hofft jedoch, dass sich das jetzt ändere.

 

  1. Welches Vorbild als Schriftstellerin hat Elfriede Jelinek?

Für Jelinek ist Marie ist Luise Fleißer (1901-1974) die bedeutendste Dramatikerin in der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts, für bezeichnend hält sie die Tatsache, dass diese Autorin nur Dank der Wiederentdeckung durch den schwulen Regisseur Rainer Werner Fassbinder überhaupt wahrgenommen worden sei.

 

 

  1. Warum stellt Jelinek Frauen unsympathisch dar? Gegen wen richtet sich Jelineks Sarkasmus?

Frauen als Komplizinnen würden von Jelinek „erbarmungslos“ behandelt. Getreu Büchners Idee mache sie sich jedoch nicht lustig über Menschen aufgrund dessen, was sie seien, sondern aufgrund dessen, was sie an Ideologie produzieren. Ihr Sarkasmus richte sich gegen die Ideologie, gegen das „falsche Bewusstsein“, darunter verstehe sie ein Verhalten, das unsolidarisch sei, das sich nicht an die Seite der Schwachen stelle, sondern mit der Macht eine Komplizenschaft eingehe.